Es war nun soweit. Unsere größte Reise und längster Segeltörn – die Atlantiküberquerung stand an.
Was kann alles passieren? Bleibt das Wetter stabil? Reicht das Essen und Trinken an Board aus? Was tun, wenn etwas am Boot kaputt geht? Wie reagieren wir auf gesundheitliche Probleme? All die Fragen und noch mehr sind uns natürlich durch den Kopf gegangen und wurden auch ausgiebig besprochen und wenn möglich auch vorsorgliche Maßnahmen bereits ergriffen. Doch man kann sich nicht immer auf alles vorbereiten und wie es im Leben so oft ist -> Es kommt immer anders als man denkt.
Am 20.11.2021 war es dann soweit. Wir haben gegen 10 Uhr, gemeinsam mit unseren Buddyboat Elane, Mindelo und somit Kapverden verlassen und uns auf den großen Atlantik gewagt. Wir waren aufgeregt, hatten gemischte Gefühle, aber sind mit großer Freude und guter Dinge gestartet.
Für die erste Woche war wenig Wind in der Wettervorherschau angesagt. So kam es dann auch. Wir hatten viele Flauten, weshalb wir einen Umweg gen Süden gefahren sind, um etwas mehr Wind abzubekommen. In der erste Hälfte haben wir ca. 17h gemotort. Ansonsten konnten wir unser Passatsegel, das Blue Water Sail, sehr gut einsetzen und haben bei leichten Wind recht schnelle Fahrt gemacht. Wir waren sehr zufrieden mit unseren Start für die Atlantiküberquerung, die See war ruhig und keine hohe Welle – so haben wir uns das auch vorgestellt. Neben den guten Segelbedingung, haben wir wahrscheinlich auch den Fischfang unseres Lebens gemacht. Einen 1,9m langen Blue Marlin haben wir mit der Angel gefangen. Das Geräusch von der Angel, wenn ein Fisch angebissen hat, werden wir wohl nie vergessen. Es hat uns über eine Stunde gekostet, den Fisch an Board zu bekommen. Letztendlich haben wir das Vorfach der Angelleine auf die Winch gelegt und den Blue Marlin an Board gewincht. Wir waren bis auf die Unterwäsche durchgeschwitzt vor Aufregung und Anstrengung. Am Ende das Tages haben wir zwei volle Waschbecken Fischfleisch gehabt und der Freezer war bis zum letzten freien Platz belegt und hatte gut zu tun, den Fisch einzufrieren. Wir haben noch nie einen so faszinierenden und beeindruckenden großen Fisch in der Realität gesehen – und dann auch noch an der eigenen Angel. Besser hätte es nicht laufen können.
Doch leider hat sich in der zweiten Woche das Blatt für uns etwas gewendet und das Glück hat uns verlassen. Während eines Manövers ist ein Stahlseil, welches das Ruder mit dem Steuerrädern verbindet, gerissen und wir haben für einen kurzen Moment die Kontrolle über das Boot verloren, da wir nicht mehr in der Lage waren das Boot zu manuell zu steuern. Für einen kurzen Moment ist Panik ausgebrochen. Doch wir hatten Glück im Unglück, da der Autopilot unabhängig der manuellen Steuerung funktionierte und wir somit das Boot wieder auf den Track bringen konnten. Dennoch braucht man eine solche Aufregung überhaupt nicht, wenn man tauschende Kilometer vom Festland entfernt ist und rundum nur Wasser. Zudem der Wind in der zweiten Hälfte immer stärker wurde und somit auch die Wellen immer größer. Wir hatten zum Teil Windböen bis zu 37kn. Trotz der Umstände hat Martial eine Notlösung gefunden, wie wir die Verbindung zwischen Ruder und Steuerräder wieder herstellen konnten, sodass wir ein kleinen Backup hatten. Als wenn diese Aktion nicht schon ein Schock genug gewesen ist, riss am nächsten Morgen unsere Spinnakerfall, die Leine, die das Passatsegel am Mast hält. Das Blue Water Segel war in voller Größe während der Fahrt im Wasser gelandet. Zum Glück ist während des Falls kein weiterer Schaden am Boot entstanden und das Segel konnten wir bergen, trocknen und in unserer Segellast verstauen. Das bedeutete nun für uns, dass wir kein zweites Segel mehr zur Verfügung hatten und nur noch das Großsegel und die Fock in Schmetterlingsstellung segeln konnten. Prinzipiell kein Problem, aber nicht gerade unsere Lieblingssegelstellung, da auch hier viel kaputt gehen kann und wir nun total unflexibel auf wechselnde Winde reagieren konnten, da wir nachts auch in sehr viel Squalls geraden sind. Eine nicht so schöne zweite Hälfte der Atlantiküberquerung ereilte uns, aber wir haben trotzdem zusammengehalten und das Beste aus der Situation gemacht. Uns gegenseitig Mut und Kraft gegeben, sodass wir auch die letzten Meilen geschafft haben.
Nach 16 Tagen allein auf dem Atlantik, mit wunderschönen Sonnenauf- und untergängen, springenden Delphinen um uns herum, Sonnenschein und blauer Himmer, aber auch Regenfall und dunkle Wolken, wo man sich denkt „Jetzt geht die Welt unter“, nach Höhen und Tiefen haben wir dann endlich und langersehnt Land in Sicht gehabt. Wir waren in der Karibik!
Nach 16 Tagen sind wir in Martinique angekommen und haben den Anker in Stainte Anne fallen gelassen. Gefühle wie Freude, Erleichterung, Glück und Stolz überrannten uns. Jeder einzelne von uns hat seine Rolle während der Überfahrt gefunden und einen super Job gemacht. Wir sind zusammen stärker geworden und haben eine Erfahrung für unser Leben gemacht. In Martinique stehen nun viele viele Bootsreperaturen an, die To-Do-Liste ist sehr lang geworden, jedoch stand jetzt erst einmal Weihnachten und Familienbesuch vor der Tür!
Und der erste Eindruck: traumhaft! Wir die Ankunft dann erst einmal mit einem Bier und einem Sprung in klares blaues Wasser gefeiert.